Mea Culpa

© Zoch Verlag

Vor 500 Jahren hat der Reformator Martin Luther seine 95 Thesen an die Türen der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt. Mit diesen Thesen wollte er vor allem eine Diskussion über den damals üblichen Ablasshandel lostreten. Menschen konnten sich mit dem käuflichen Erwerb eines Ablassbriefes gewissermaßen von Schuld und Sühne freikaufen. Der Ablasshandel war in der katholischen Kirche damals auch deshalb sehr beliebt, da durch ihn, unter anderem, der Bau des Petersdoms in Rom finanziert werden sollte. Theologisch ist der Ablasshandel aber völlig unhaltbar. Er hat keinerlei Grundlage in der Bibel. Besonders störte Luther daran, dass der Eindruck erweckt wurde, als könne es Vergebung von Schuld ohne persönliche Sühne geben. Dazu kam noch als wesentlicher Punkt für Luther, dass der Papst gar keine Sünden vergeben kann. Gott alleine kann Sünde vergeben und dies hat er durch den Tod von Jesus Christus ein für alle Mal getan. Die Zeit des Ablasshandels und das Konzil von Konstanz einhundert Jahre vor Luthers Thesenanschlag bilden den historischen Hintergrund für das Spiel „Mea Culpa“, das im Rahmen des Reformationsjubiläums beim Münchner Zoch-Verlag erschienen ist. Gleich vorweg der Hinweis: Das Autorenduo Klaus Zoch und Rüdiger Kopf gehen das Thema eher spielerisch jovial und mit einer gehörigen Prise Ironie an.

Wie funktioniert es?
In „Mea Culpa“ versuchen die Spieler dem Himmel nahe zu kommen. Das geht, indem sie Ablassbriefe sammeln. Diese gleichen Sünden aus, die die Spieler im Laufe des Spiels anhäufen und die sie in Richtung Hölle bringen. Ablassbriefe kann ich auf dem Markt kaufen. Die Kirche belohnt mich mit Ablassbriefen, wenn ich genug für den Bau eines Doms spende. Einen Ablassbrief gibt es auch im Freudenhaus zu finden. Aber der Reihe nach. Zunächst stehen alle Spieler noch völlig Sündenfrei da. Die Kramer-Leiste an zwei Seiten des Spielbrettes führt auf der einen Seite in die Hölle, auf der anderen Seite in den Himmel. Auf dem Spielbrett befindet sich zentral eine Auslage mit vier Charakterkarten. Papst, Kaiser, Kaufmann und armer Sünder stehen zur Auswahl. Darum herum gruppieren sich ein Markt, mit verschiedenen Warenständen, ein Dombauplatz und ein Freudenhaus. Die Wahl des Charakters markiert auch stets den Beginn einer Runde. Jeder Charakter, bis auf den Kaufmann hat eine Sofortfunktion, die der Spieler nutzen kann, der diesen Charakter für diese Runde wählt. Außerdem hat jeder Charakter ein Privileg, das der Spieler im Laufe der Runde einsetzen kann. Die Wahl des Charakters und der damit verbundenen Zugreihenfolge während des Spiels erfolgt durch ein geheimes Gebot, das jeder Spieler abgibt. Dafür stehen jedem Spieler ein „Kerbholz“ und in der Regel Geld zur Verfügung. Je nach Seite sind eine bis sechs Kerben zu sehen. Der Spieler, der die höchste Kombination aus Kerben und Geld legt, wählt zuerst den Charakter. Alle anderen folgen in der Höhe ihres Gebotes. Nun kann jeder Spieler in der Aktionsphase ein bis zwei Aktionen pro Zug wählen. Als Aktion sind möglich: Eine Ware vom Markt kaufen; eine Ware verkaufen; einen Ablassbrief kaufen; eine Spende tätigen, das Freudenhaus besuchen. Ein Besuch im Freudenhaus kann Vorteile bringen. Die Aktionsphase geht so lange, bis der letzte Waren und Ablassstein vom Markt weggenommen wurde. Die Waren und Ablasssteine auf dem Markt werden jede Runde neu ausgelegt. Gekaufte Waren und Geld kann jeder Spieler in eine eigene Schatulle spenden, die er vor den Augen der Mitspieler geheim hält. Kommt es im Spiel dazu, dass ein Dom fertig gebaut wurde, wird geschaut, wer in seiner Spendenschatulle je nach Sorte getrennt, die meisten Waren bzw. Geld gespendet hat. Entsprechend werden stets die spendabelsten Spieler durch Ablassbriefe belohnt. Verschiedene Aktionen haben zur Folge, dass die Spieler Sünden auf sich nehmen. Diese Sünden, werden in Form von Sündensteinen in drei Sündenpfuhlen angehäuft. Das ist so lange nicht schlimm, so lange der Papst seine schützende Hand über die Sündenpfuhle hält. Tut er das nicht mehr, wirkt sich jeder Sündenstein negativ auf den Zustand der Seele des Spielers aus. Er wandert in Richtung Hölle. Am Ende jeder Runde werden auch die Kerben auf den Kerbhölzern der Spieler verglichen. Derjenige, der am Meisten auf dem Kerbholz hat, kommt der Verdammnis immer näher. Das Spiel endet, sobald der zweite Dom gebaut und eine zweite Spendenwertung stattgefunden hat. Wer dann möglichst viele Ablassbriefe in der richtigen Kombination hat, darf seine „Arme Seele“ wieder entsprechend weit in Richtung Himmel bewegen. Wer am Ende dem Himmel am Nächsten steht, gewinnt.

© Zoch Verlag

Einschätzung
„Mea Culpa“ darf man nicht zu ernst nehmen. Das Spiel selbst nimmt sich auch nicht zu ernst. Es ist die spielerische Umsetzung von kirchlichen Irrungen und volkstümlicher Frömmigkeit, die keine theologische Basis in der Bibel haben. Das Spiel spiegelt natürlich die historische Situation von Kirche und Theologie im 15. und vor allem 16. Jahrhundert wider: Sündenvergebung im Handumdrehen mittels Ablass. Das ist der historische Hintergrund, den „Mea Culpa“ so völlig korrekt, wenn auch verkürzt, aufgreift und recht treffsicher umsetzt. Dadurch wird das Thema Sünde natürlich reduziert auf wenige Aspekte und es besteht die Gefahr, dass Sünde recht harmlos wirkt. Dabei sieht der Verlag das Spiel erst ab 14 Jahren als geeignet an. Als Grund dafür hat Autor Klaus Zoch in einem Interview den Besuch des Freudenhauses im Spiel genannt. Vom Anspruch her ist das Spiel nicht so hoch anzusetzen, obwohl es für ein Spiel aus dem Zoch Verlag schon recht anspruchsvoll ist. „Mea Culpa“ stellt die Spieler immer wieder vor schwierige Entscheidungen: Eine Ware kaufen oder am Dom weiterbauen? Eine Spende tätigen oder lieber eine Ware verkaufen? Wie viele Sünden kann ich mir leisten? Und kann ich das am Ende des Spiels durch entsprechende Ablassbriefe wieder ausgleichen? Sehr schön finde ich die Idee des Kerbholzes. Wer sich Vorteile verschaffen will, kommt ums Sündigen fast nicht herum. Dafür steht vor allem das Freudenhaus. Obwohl es auch möglich ist, völlig ohne zu sündigen über die Runden zu kommen. Meinen Mitspielern war aber zunächst nicht immer gleich klar, was das eigentliche Ziel des Spieles ist. Das aber ließ sich schnell erklären.
Mein Fazit: „Mea Culpa“ wagt es, ein Thema aufzugreifen, das so sonst noch nie (soweit mir bekannt ist) in einem Spiel aufgegriffen wurde. Hut ab dafür. Grundsätzlich funktioniert das Spiel als Spiel hervorragend. Die Mechanismen greifen perfekt ineinander. Es ist ausgewogen, bleibt seinem Thema treu und bietet so gesehen Unterhaltungswert. Und theologisch betrachtet? So gesehen stimmt es natürlich schon, dass Sünden Menschen von Gott wegführen. Aber in die andere Richtung (zu Gott) geht es eben nicht durch Ablassbriefe, sondern allein durch den Glauben an Jesus Christus. Weder der Papst noch irgendwelche anderen Institutionen können etwas dazu tun. Auch ich nicht durch eigene Taten und seien sie noch so gut (Spenden). Und da passt das Spiel dann auch in das Reformationsjubiläum. Denn genau das war das Anliegen Martin Luthers, das deutlich zu machen! Erlösung kommt allein aus dem Glauben an Jesus ohne eigenen Verdienst. Deshalb hat er vor 500 Jahren seine Thesen veröffentlicht. Um darauf hinzuweisen, dafür bietet „Mea Culpa“ eine echte Steilvorlage! Sicherlich benötige ich nicht unbedingt ein Spiel, um über das Thema Schuld und Vergebung zu reden. Aber wenn es das schon gibt, dann kann ich die Gelegenheit auch nutzen!

„Mea Culpa“
Autor: Klaus Zoch und Rüdiger Kopf
Verlag: Zoch
Für 4 Spieler
Ab 14 Jahren
Dauer: 90 Minuten
Preis: 45 Euro

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