Viele große Städte der Welt haben auch ein für sie typisches Wahrzeichen. New York hat die Freiheitsstatue, Paris den Eifelturm, London die Tower Bridge, Rom das Colosseum und Berlin das Brandenburger Tor. Und Moskau hat die berühmte Basilius-Kathedrale. Das im 16. Jahrhundert errichtete Kirchengebäude besteht aus rotem Backstein und hat neun Türme mit sehr markanten bunten Kuppeln, die alle unterschiedlich sind. Im Spiel „Die Rote Kathedrale“ von Sheila Santos und Israel Cendrero wirken wir am Bau dieser Kathedrale mit.
Wie funktioniert es?
„Die Rote Kathedrale“ wird über mehrere Runden im Uhrzeigersinn gespielt. Sie hat drei Bereiche, in denen das Spiel stattfindet und mit jedem Bereich ist auch eine von drei möglichen Aktionen verbunden, die ich – wenn ich am Zug bin – wählen kann. Da wäre zunächst das persönliche Tableau, das ich vor mir liegen habe. Dieses Tableau bietet Platz für bis zu zehn Baumaterialien, die zum Bau der Kathedrale benötigt werden. Eine Aktion ist es, dass ich bis zu drei Baumaterialien von meinem Tableau an die Baustelle der Kathedrale liefere.
Welche Materialien ich liefern sollte, wird durch die Bauabschnitte der Kathedrale bestimmt, an denen ich baue. Welche Abschnitte das sind, wird durch eine weitere mögliche Aktion bestimmt. Zu Beginn des Spiels sind vier der Plätze für Baumaterial auf meinem Tableau durch kleine Flaggen in der von mir gewählten Spielerfarbe blockiert. Diese Flaggen kann ich im Bereich der Kathedrale auf einen dortigen – noch freien – Bauabschnitt legen und mir so diesen Abschnitt sichern. Wie die Kathedrale aussehen soll, an der wir bauen, wird am Anfang des Spiels durch eine Karte festgelegt. Abhängig von der Spieleranzahl gibt es Kathedralen mit mehr oder weniger Bauabschnitten. Bei zwei Spielern sind es zwölf, bei vier Spielern 24. Das kommt daher, dass jeder sechs Flaggen hat, die er auf Bauabschnitte legen kann. Für jede Spieleranzahl gibt es drei Karten. Eine davon wird gewählt und die dort abgebildete Kathedrale durch Bauabschnittskarten nachgebildet. Jede Bauabschnittskarte gibt an, welches Material für diesen Abschnitt benötigt wird. Außerdem gibt es noch eine Belohnung in Form von Geld und Baupunkten, die ich für die Fertigstellung des jeweiligen Abschnitts bekomme. Auf jedem Abschnitt ist zudem ein Werkstattplättchen zu finden. Diese wurden zu Spielbeginn dort zufällig verteilt. Sichere ich mir einen Bauabschnitt mit einer Flagge, dann darf ich das dortige Werkstattplättchen auf mein Spielertableau legen. Das Tableau zeigt dazu im oberen Bereich seitlich jeweils drei Felder mit den fünf Würfeln, die im Spiel vorkommen (der weiße Würfel hat zwei Felder zur Auswahl).
Diese Würfelfelder auf meinem Tableau kann ich mit den Werkstattplättchen belegen. Dafür muss ich einen bestimmten Preis bezahlen. Der Effekt ist nun, dass immer, wenn ich den Würfel in einer Farbe nutze, das Werkstattplättchen darauf ebenfalls ausgelöst wird. Und die Würfel nutze ich im Markt, womit wir zur wohl am häufigsten genutzten der drei Aktionen kommen: Der Materialbeschaffung. Der Markt ist in vier Viertel und jedes Viertel wieder in zwei Teile unterteilt. Jedem der acht Bereiche des Marktes ist zufällig eine Ressource zugeordnet worden. Und am Anfang wurden die fünf Würfel mehr oder weniger ebenfalls zufällig auf die Bereiche verteilt. In jedem Viertel gibt es zudem noch eine spezielle Karte, die extra Aktionen erlaubt. Will ich den Markt nutzen, dann wähle ich einen beliebigen Würfel und bewege diesen Würfel so weit von Bereich zu Bereich, wie es seine Augenzahl angibt. In dem Bereich, in dem er dann am Ende liegt, bringt mir dieser Würfel die entsprechende Ressource ein, und zwar multipliziert mit der Anzahl der Würfel in diesem Bereich. Dabei können in einem Bereich maximal drei Würfel liegen.
Neben der Ressourcengewinnung in dem Bereich, kann ich möglicherweise noch den Effekt eines Werkstattplättchens nutzen und die Karte, die in diesem Viertel liegt. In welcher Reihenfolge ich das alles mache, ist mir überlassen. Und manchmal kann gerade die Entscheidung darüber, was ich zuerst mache, sehr wichtig sein. Die Baumaterialien landen dann wie oben beschrieben auf meinem Tableau. Baupunkte werden an der Zähleiste abgetragen und Geld wird separat gesammelt. Neben den Baupunkten gibt es noch Ruhmespunkte. Sie geben am Ende den Ausschlag über Sieg oder Niederlage bei „Die Rote Kathedrale“, am Anfang der Zählleiste muss ich relativ viele Baupunkte sammeln, um Ruhmespunkte zu holen, später sind die beiden Leisten identisch. Neben Baumaterial für die Abschnitte, kann ich auch fertige Abschnitte der Kathedrale verzieren. Dafür stehen mir genau vier Verzierungs-Elemente zur Verfügung. Solche Verzierungen bringen Ruhmespunkte ein, wenn ich das entsprechende Material dafür verwende.
Die Verzierungen sind aber auch wichtig für die Endwertung. Und damit kommen wir zum vielleicht schwierigsten Teil von „Die Rote Kathedrale“: Die Schlusswertung. Zu den bisher erzielten Ruhmespunkte kommen nun noch solche für die Beteiligung am Bau der Kathedrale. Dabei werden aller fertigen Bauabschnitte eines Turms mit zwei Punkten gewertet, jede Verzierung ist einen Punkt wert. Die Person mit der meisten Beteiligung, zu sehen an den Fähnchen und der Farbe der Verzierung, erhält die volle Punktzahl, der nächste die Hälfte und immer so weiter. Auch übriggebliebene Ressourcen zählen noch Punkte. Die Person, die jetzt in der Summe die meisten Ruhmespunkte hat, hat gewonnen.
Einschätzung
Bei „Die Rote Kathedrale“ steckt in einer relativ kleinen Spieleschachtel unerwartet viel Spiel! Es ist sehr schön gestaltet, das Material qualitativ hochwertig und die Spielregeln sind wirklich sehr gut erklärt. Alle Regeln finden sich auch auf meinem Spieler-Tableau und das ist sehr hilfreich. Ich kann dort immer wieder nachschauen, welche Aktionen ich wählen kann und was sie bewirken.
Das Spiel ist sehr anspruchsvoll und dicht, aber nicht überladen oder kompliziert. Mal abgesehen von der Schlusswertung, bei der man ziemlich gut rechnen muss. Ansonsten sind die Abläufe der Aktionen klar und gut strukturiert. Bereits nach kurzer Zeit hat man das Spiel verstanden und dann läuft es sehr rund. Und dennoch: es ist ein Kennerspiel, das sollte ich bedenken. Ich muss eine gewisse Erfahrung für dieses Spiel mitbringen. Denn ständig muss ich taktische Entscheidungen treffen. Manche fallen leichter als andere. Dabei stellt einen die Einschränkung auf nur zehn Baumaterialien auf dem Tableau ebenso vor Herausforderungen, wie die Tatsache, dass ich immer nur drei Materialien auf einmal an die Kathedrale liefern kann. Zudem geht es darum, sich möglichst lukrative Bauabschnitte zu sichern, ich muss dann aber auch das Material dafür zusammenbekommen. Und da machen die Würfel einem immer mal wieder einen Strich durch die Rechnung. Wobei es genug Stellschrauben im Spiel gibt, die mir helfen immer noch was Vernünftiges zu machen. Gerade die richtige Kombination der Abfolge der möglichen Effekte am Markt ist hier wichtig. Mir gefällt „Die Rote Kathedrale“ ausgesprochen gut. Sie funktioniert in jeder Besetzung und auch in der Solovariante sehr gut. Das Spiel ist eine echte Empfehlung, nicht nur für Freunde russischer Baukunst und Kirchen. Mein Tipp: Könnte Kennerspiel des Jahres werden.
„Die Rote Kathedrale“
Autor: Sheila Santos, Israel Cendrero
Verlag: Kosmos
Für 1 – 4 Spieler
Ab 12 Jahren
Dauer: 90 Minuten
Preis: 30 Euro