Everdell

© Starling Games

Das Kinderbuch „Die Geschichte von Peter Hase“ der britischen Autorin Beatrix Potter ist ein weltweit bekannter Kinderbuchklassiker. Seinen Erfolg hat das Buch zu einem großen Teil den von Beatrix Potter selbst gezeichneten Illustrationen zu verdanken. Sie verleihen dem Buch seinen besonderen Charme. Ähnliches gilt für “Der Wind in den Weiden” von Kenneth Grahame. An die Illustrationen diese Bücher musste ich denken, als ich „Everdell“ zum ersten Mal gesehen habe. Anfang Oktober wurde “Everdell” nun mit dem Spielgrafikpreis “Graf Ludo” ausgezeichnet. Auch das Spiel von James A. Wilson lebt sehr stark von den Illustrationen; aber eben nicht nur.

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Wie funktioniert es?
Neben einem unverwechselbaren und sehr ansehnlichen Look wartet „Everdell“ auch mit einer sehr ansprechenden Spielidee auf. Kern des Spiels ist das Spielbrett, das verschiedene Felder zeigt, auf die die Spieler ihre Spielfiguren einsetzen können. Diese Felder dienen dazu Rohstoffe zu erhalten. Alle Spieler starten bei „Everdell“ ohne das geringste Startkapital an Rohstoffen. Diese werden aber benötigt, um Karten spielen zu können. Zu Spielbeginn hat jeder Spieler abhängig von seiner Position am Tisch fünf bis acht Karten auf der Hand. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Karten: Kreaturen und Bauwerke.

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Kreaturen erfordern eine unterschiedliche Anzahl von Beeren um gespielt werden zu können. Für Bauwerke werden wiederum Zweige, Kieselsteine und Harz benötigt. Habe ich bestimmte Gebäude errichtet kann ich dazugehörige Bewohner auch kostenlos spielen. Das geht allerdings nur einmal im gesamten Spiel. Neben den Karten, die ein Spieler auf der Hand hat, kann er auch eine der Karten aus der Wiese spielen.

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Die Wiese ist der zentrale Bereich auf dem Spielbrett. Hier liegen immer acht Karten, die den Spielern alternativ zu ihren Handkarten zur Verfügung stehen.  Neben der Wiese dominiert ein großer dreidimensionaler Baum das Bild von „Everdell“. Auf diesem Baum sitzen die Figuren der Spieler, die sie im Laufe des Spiels noch erhalten werden. Denn zum Start gibt es lediglich zwei Figuren, die ich als Spieler auf Rohstofffelder einsetzen kann. Außerdem liegen auf dem Baum (allerdings ein Astwerk tiefer) noch vier spezielle Ereigniskarten, die demjenigen Spieler zusätzliche Punkte einbringen, der als erster die auf ihnen geforderten Bedingungen erfüllt und eine seiner Spielfiguren auf der entsprechenden Karte platziert. Diese speziellen Ereigniskarten können von Spiel zu Spiel variieren. Am Fußende des Baumes liegt der sehr beträchtliche Nachziehstapel. Im Schatten des Baumes finden sich dann noch vier Ereignistafeln, die in jedem Spiel verwendet werden. Diese kann ein Spieler für sich reklamieren, wenn er entsprechend viele Kreaturen einer bestimmten Art gesammelt hat. Diese Ereignistafeln bringen Siegpunkte ein.

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Ist ein Spieler am Zug hat er die Wahl zwischen drei Aktionen. Eine davon darf er in seinem Zug ausführen. Er kann eine seiner Figuren auf einem Feld auf dem Spielbrett platzieren und entsprechend Rohstoffe generieren oder Ereigniskarten oder Ereignistafeln für sich reklamieren. Als zweite Möglichkeit kann er eine Karte ausspielen. Ausgespielte Karten bilden die Stadt eines Spielers. Eine Stadt kann maximal 15 Karten umfassen. Ausgespielte Karten haben meist eine einmalige oder eine wiederkehrende oder eine dauerhafte Fähigkeit. Manche Karten profitieren von bestimmten anderen Kartenarten. Als dritte Aktion kann sich ein Spieler auch auf eine neue Jahreszeit vorbereiten.

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„Everdell“ beginnt im Winter und endet auch wieder im Winter. Wenn sich ein Spieler auf eine neue Jahreszeit vorbereitet, dann nimmt er alle von ihm eingesetzten Figuren zurück vom Spielbrett oder vom Baum. Im Frühling, Sommer und Herbst gibt es neue Spielfiguren für den Spieler, der in die nächste Jahreszeit geht. Hat ein Spieler alle Jahreszeiten durchlaufen und will oder kann keine Karten mehr spielen oder Figuren einsetzen, endet das Spiel für ihn. Und das ist die Besonderheit an „Everdell“: Die Spieler gehen nicht automatisch gleichzeitig in die nächste Jahreszeit über und beenden auch nicht zwangsläufig gleichzeitig das Spiel. Den Übergang in die nächste Jahreszeit und das Spielende bestimmt jeder Spieler für sich. Sind alle Spieler fertig wird geschaut, wer insgesamt durch Kreaturen und Bauwerke in seiner Stadt und durch Ereigniskarten und Ereignistafeln die meisten Punkte holen konnte.

Einschätzung
„Everdell“ ist nicht nur optisch ein Leckerbissen; es weiß auch in spielerischer Hinsicht zu gefallen. Dabei fragt man sich als Spieler zu Beginn, wie um alles in der Welt man es schaffen soll, in so wenigen Runden so viele Karten zu spielen? Der Start mit nur zwei Figuren, die ich einsetzen kann und mit keinerlei Ressourcen ist echt frustrierend.

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Die erste Jahreszeit endet bei vielen Spielern, ohne, dass sie auch nur eine Karte ausspielen konnten. Doch mit zunehmender Dauer nimmt das Spiel Fahrt auf und die Aktionen bekommen immer mehr Dynamik. Die Möglichkeiten Karten zu spielen steigen exponentiell an. Gegen Ende musste ich als Spieler oft schauen, wie ich Karten aus meiner Stadt wieder loswerde, damit ich wertvollere Karten noch unterbringen kann. Dabei kommt es durchaus darauf an, welche Strategie ich mit meinen Karten verfolge. „Everdell“ bietet hier erfreulich viele Möglichkeiten. Natürlich gibt es einige Karten, die sehr spielstark sind und die das eigene Spiel sehr schnell in Schwung bringen können. Das „Gerichtsgebäude“ zählt zum Beispiel dazu, aber auch der „Friedhof“. Da das Handkartenlimit strikt auf acht Karten festgelegt ist, muss man manchmal schauen, wie man Karten wieder von der Hand losbekommt, ohne sie in die Stadt spielen zu müssen. Vereinzelt hat Spieler das Konzept irritiert, dass nicht alle Spieler gleichzeitig in die nächste Jahreszeit übergehen oder das Spiel beenden.

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So wirkt das Spiel manchmal asynchron und es kann verwirren, dass manche Spieler schon viel weiter sind und viel mehr Figuren auf dem Brett haben. Aber bei „Everdell“ kommt es nicht auf Schnelligkeit an. Vielmehr ist es entscheidend, die richtige Strategie für und durch die Karten zu finden, die ich als Spieler bekomme. Die „Maschine“ muss ins laufen kommen. Das ist entscheidend. Ich muss also mit möglichst wenig Einsatz von Figuren, Ressourcen und Karten einen möglichst großen Effekt erzielen. Das mag beim ersten Spiel noch sehr herausfordernd sein. Aber spätestens bei der zweiten Partie „Everdell“ hat man den Bogen raus. Die Regeln sind im Grunde schnell erklärt, die Abläufe immer gleich und doch nicht eintönig. Deshalb liegt “Everdell” zwischen einem Familienspiel und einem Kennerspiel, das eher etwas für Vielspieler ist. „Everdell“ hat uns große Freude bereitet und tut das noch immer. Seitdem das Spiel nun auch endlich auf Deutsch erschienen ist, hat sich der Kreis der „Everdell“-Fans noch weiter vergrößert. Auch die drei Erweiterungen “Pearlbrook”, “Bellfaire” und “Spirecrest” wird es ebenfalls auf Deutsch geben. Einzig der doch recht hohe Preis mag den einen oder anderen abschrecken. Aber das Spiel ist es wert!

„Everdell“
Autor: James A. Wilson
Verlag: Starling Games / Pegasus Spiele
Für 1 – 4 Spieler
Ab 12 Jahren
Dauer: 90 Minuten
Preis: 60 Euro

1 Kommentar zu „Everdell“

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