Der 31. Oktober erinnert jedes Jahr an die Reformation durch Martin Luther vor rund 500 Jahren. Doch Historiker sind sich inzwischen sicher: die Reformation hätte ohne die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg vermutlich nicht diesen Erfolg gehabt. Eine spielerische Annäherung ans Thema Buchdruck bietet “Gutenberg” von Katarzyna Coich und Wojciech Wisniewski, das im polnischen Verlag Granna erschienen ist.
Wie funktioniert es?
Bei „Gutenberg“ schlüpfen wir in die Rollen von Druckereibesitzern und Druckereibesitzerinnen, die Druckaufträge erfüllen wollen, um damit Geld und Ruhmespunkte zu erlangen. Um das zu schaffen, müssen wir unter anderem über Drucklettern verfügen – das sind aus Holz geschnitzte Buchstaben -; außerdem benötigen wir Farben und verschiedene Fertigkeiten. Haben wir das alles in einer passenden Kombination, die von einem Druckauftrag gefordert wird, dann gilt dieser als erfüllt und wir bekommen dafür eine entsprechende Belohnung.
Das ist die Grundidee von „Gutenberg“, das über insgesamt sechs Runden gespielt wird. In diesen sechs Runden müssen wir Druckaufträge an Land ziehen, Farben und Lettern besorgen, sowie unsere Fertigkeiten weiterentwickeln und unsere Druckerei verbessern. Und am Ende heißt es auch Gönner für sich zu gewinnen. Das alles müssen wir zu Beginn jeder Runde vorab planen und dann hoffen, dass uns die anderen Leute am Tisch nicht in die Quere kommen.
Die Planung geschieht geheim hinter einem Sichtschirm. Hier verteilen wir Planungsmarker in fünf Zeilen. Jede Zeile steht für eine mögliche Aktion, die wir in der Aktionsphase, die nach der Planungsphase folgt, ausführen können. Haben alle ihre Marker platziert, werden die Sichtschirme entfernt, und nun wird die Anzahl der Marker in jeder Zeile miteinander verglichen. Wer in einer Zeile die meisten Marker liegen hat, hat in der entsprechenden Aktion den Vorrang und darf diese als erste Person ausführen. Bei Gleichstand geht es im Uhrzeigersinn von der Person mit dem Startmarker aus. Habe ich in eine Zeile auf meinem Planungstableau garkeinen Marker gelegt, darf ich diese Aktion auch nicht nutzen.
Die Aktionen werden dann einzeln auf dem zentralen Spielplan ausgeführt. Dort geht es schön ordentlich von oben nach unten, wie auf dem Planungstableau. Im Angebot sind immer mindestens so viele Druckaufträge, wie Personen am Spiel teilnehmen.
Dabei hat jeder Druckauftrag zwei Teile: Den eigentlichen Druckauftrag und eine Veredlung des Auftrags. Die Veredlung ist ein zusätzlicher Bonus, den ich erfüllen kann, aber nicht muss. Jedoch gilt ein Auftrag als nicht erfüllt, wenn ich den eigentlichen Druckauftrag nicht bewältigen kann. Die Veredlung allein bringt mir also nichts.
Für die Druckaufträge benötige ich Lettern, für die Veredlung Farben und bestimmte Fertigkeiten auf einem gewissen Level. Während ich Lettern jederzeit für entsprechend viel Geld kaufen kann, – je mehr Lettern ich schon habe, umso teurer wird es -, bekomme ich Farben und Fertigkeiten in den entsprechenden Zeilen auf dem großen Spielplan.
Farben kosten mich – wie Lettern – Geld, wenn ich mehr als den ersten Farbtropfen aus der Angebotspalette nehmen will. Meine Fertigkeiten kann ich dagegen kostenlos verbessern. Vier verschiedene Fertigkeiten gibt es, die ich in vier entsprechenden Leisten auf meinem persönlichen Druckereitableau weiterentwickeln kann. Bis zu Level Sechs kann ich es in den Bereichen Schriftsatz, Holzschnitt, Buchbindung und Buchschmuck schaffen. Meist ist mindestens Level Zwei erforderlich, um die Veredlung eines Auftrags erreichen zu können. Auch, um die Gunst eines Gönners zu bekommen, sind hohe Level in den verschiedenen Fertigkeiten wichtig.
Unterhalb der Verbesserungen der Fähigkeiten, finden sich Zahnräder. Mit ihnen kann ich mein Druckereitableau aufwerten und bis zu drei Zahnräder in einer Runde nutzen. Sie erlauben es mir unter anderem Farben oder Lettern zu tauschen oder Extrapunkte für erfüllte Druckaufträge zu bekommen. Unterhalb der Zahnräder kann ich noch Gunst erhalten. In den ersten beiden Runden sind das zum Beispiel Farben oder Geld. Später kann ich auch Gönnerkarten nehmen, wenn ich deren Anforderung erfüllen kann. Sie bringen mir am Ende des Spiels Siegpunkte.
Nachdem die Aktionsphase beendet ist, können nun alle noch beliebig viele Aufträge erfüllen. Wobei ich maximal nur vier Aufträge gleichzeitig an meinem Druckereitableau anliegen haben kann. Um Druckaufträge zu erfüllen, muss ich jeden Buchstabenletter dem entsprechenden Feld auf dem Druckauftrag zuordnen. Ich kann also einen Buchstaben nicht gleichzeitig mehrfach verwenden. Bei den Veredelungen sind Farben und Fertigkeiten gefragt. Die Farben muss ich abgeben; Fertigkeiten sind dagegen genau wie Buchstabenlettern dauerhaft, können aber für mehrere Veredelungen verwendet werden. Haben alle ihre Aufträge für diese Runde erfüllt, beginnt eine neue Runde, in der zunächst die Bereiche des Spielplans neu bestückt werden, wo das notwendig ist. Das gilt für Aufträge, Farben, Fertigkeiten und Zahnräder. Die Gönnerkarten im Bereich der Gunst werden nie erneuert. Nach sechs Runden ist Schluss und es gewinnt, wer die meisten Punkte vorweisen kann. Neben den Siegpunkten, die ich im Laufe des Spiels durch erfüllte Druckaufträge erhalten habe, zählen jetzt noch Gönnerkarten, Geld und die Stufe der Fertigkeiten, die ich erreicht habe.
Einschätzung
Ich finde Thema und Idee von „Gutenberg“ genial: Den Buchdruck so in spielerischer Form umzusetzen, das freut mich ausgesprochen. Johannes Gutenberg und seine Leistung für die Menschheit werden gerne mal unterschätzt. Von daher ist es auch sehr schön, dass gegen Ende der Spielanleitung auf vier Seiten die Entstehung und Bedeutung des Buchdrucks erklärt werden und wichtige Personen des Buchdrucks – Frauen und Männer – in Kurzportraits vorgestellt werden. Aber nicht nur die Idee und Themenwahl sind gut, die Umsetzung ist auch sehr gelungen.
Da greift eins ins andere, wie die Zahnräder der Druckmaschine. Von der geheimen Planung hinter dem Sichtschirm bis hin zur Gewinnung von Gönnern. Zwar hat “Gutenberg” etwas von einer Auktion und wer in der Planungsphase am meisten in einem Aktionsbereich bietet, ist als erster am Zug; aber niemand geht leer aus; insofern man wenigstens einen Planungsmarker in einem Bereich geboten hat. Natürlich versuche ich, bei den Aktionen möglichst früh dran zu sein, wo es für mich wichtig ist; und das fordert mir schon in der Planungsphase einige Überlegungen und ein wenig Spekulation ab. Da lohnt sich auch mal der Blick auf die Druckaufträge und die Druckereitableaus der anderen Leute am Tisch. Was könnte wer brauchen? Und was benötige ich selbst? Das ist ein schönes Spannungselement im Spiel. Ansonsten sind die Abläufe sehr klar und stringent und werden auch so in der Spielanleitung erklärt. Geldmanagement ist wichtig und die Auswahl passender Aufträge. Welche Lettern benötige ich? Welche Verbesserungen? Auch das will gut geplant sein. Ich muss aber auch flexibel reagieren können, wenn es nicht so nach Plan läuft, aber auch dafür bietet das Spiel genug Möglichkeiten, indem ich mir auf verschiedenen Wegen Druckaufträge, Farben und Verbesserungen besorgen kann. Das finde ich gut gelöst, um permanentem Frust vorzubeugen. „Gutenberg“ hat sehr schönes Material, das perfekt zum Thema passt: Besonders die Drucklettern aus Holz sind grandios. Das Spiel ist anspruchsvoll, aber nicht zu kompliziert und es dauert auch seine Zeit, aber das erwarte ich auch von einem Spiel, das ich im gehobenen Familienspiel- bis Kennerniveau einsortiere. Mit zunehmenden Partien nimmt die Spielzeit dann auch ab. Insgesamt ist „Gutenberg“ ein sehr gutes Spiel für Menschen, die sich im Bereich gehobenes Familienspiel und Kennerspiel wohl fühlen. Besonders zu empfehlen ist es natürlich für Leute, die Bücher lieben.
„Gutenberg“
Autor: Katarzyna Coich, Wojciech Wisniewski
Verlag: Granna/ HUCH!
Für 1 – 4 Spieler
Ab 12 Jahren
Dauer: 60 – 120 Minuten
Preis: 40 Euro